Mit IoT Onboardings ist es dasselbe wie mit dem Erstellen jedes anderen User Experience-Konzepts – es muss einfach zu verstehen, leicht zu bedienen und – im besten Falle – selbsterklärend sein. Doch was für einen UX-Designer selbstverständlich ist, ist für Außenstehende nicht so einfach – vor allem wenn zusätzlich die Anforderung hinzukommt, ein Gerät ins Internet zu bringen. Die Aufgabe besteht also darin, ein IoT Onboarding zu erstellen, das jedem Nutzer ein einfaches und schnelles Einrichten eines IoT-Geräts ermöglicht.
In diesem Artikel möchte ich meine Strategie und Erfahrungen mit IoT Onboarding-Konzepten teilen und dabei die meist genutzten und üblichsten Konzepte vorstellen.
Der Start
Zu Beginn eines IoT Onboarding-Konzeptes ist es sinnvoll, die Herausforderungen und Probleme am Prozess herauszustellen. Dabei ist es wichtig, gleich zu Beginn folgende Fragen zu beantworten:
- Wer wird das Produkt / die Applikation im Anschluss nutzen?
- Welche Technologie eignet sich am besten, um ein Gerät erfolgreich ins Internet zu bringen? (Abhängig von der Umgebung, in der das Gerät installiert wird)
- Wie kann den Nutzern in verständlicher Weise erklärt werden, wie sie das Gerät ins Internet bringen können?
Eine Möglichkeit, diese Antworten zu erhalten, ist die Durchführung eines Research. Als Erstes wird hier die Zielgruppe der Anwendung definiert und so den Nutzern ein Gesicht gegeben. Ein Beispiel: Angenommen, es muss ein IoT Onboarding-Konzept erstellt werden, um ein Smart Home Gateway zur Steuerung einer Heizung ins Internet zu bringen.
Definiere die Zielgruppe und gebe deinen Nutzern ein Gesicht
Beginnen wir damit uns vorzustellen, welche verschiedenen Personas das Gateway nutzen werden: Es ist wichtig zu verstehen, was diese brauchen und welche Probleme sie mit dem aktuellen Workflow und Onboarding haben, um diese zu verbessern.
Vermutlich werden Heizungen in einem Haus nicht von dessen Besitzern installiert. In den meisten Fällen wird ein Heizungsinstallateur sowohl die Heizung als auch das Gateway installieren, da diese beiden Geräte oft physisch miteinander verbunden werden müssen, um etwa Strom zu erhalten und mit der Heizung „sprechen“ zu können.
Denn Hand aufs Herz: Wer weiß schon, wie Heizungsinstallateure arbeiten und Heizungen richtig installiert werden?
Die beste Methode, um das herauszufinden, ist es, einen Installateur bei seiner täglichen Arbeit und beim Installieren von Heizungen zu begleiten. Dabei kann beobachtet und verstanden werden, woraus deren tägliche Arbeit besteht, um den Prozess des Gateway-Einrichtens so einfach wie möglich in diesen Ablauf einzubauen.
Diese Methode erwies sich als die wertvollste, um wirklich zu verstehen, was Nutzer brauchen.
Wenn jedoch die Einrichtung eines Gateways von Nutzern zu Hause und nicht von Installateuren vorgenommen wird (um z.B. Leuchten zu steuern), ist es wichtig jemanden zu befragen oder zu beobachten, der bereits Smart Home-Produkte nutzt, die ein Gateway oder vergleichbare Geräte brauchen. Das Wichtigste dabei ist, die Bedürfnisse und Ziele der definierten Persona genau zu kennen. So lassen sich mögliche Probleme ermitteln und vermeiden, die bei der Einrichtung auftreten können.
Bluetooth, WiFi, WAC? – Halbe Arbeit mit dem richtigen Tool
Nach Festlegung der Zielgruppe ist es wichtig, eine Entscheidung über die zu verwendende Technologie zu treffen. An diesem Punkt sollten die Bedürfnisse des Nutzers im Fokus stehen. Ist das IoT Onboarding hier für die Nutzer zu kompliziert und missverständlich, besteht die Gefahr, dass sie mit dem Einrichtungsprozess unzufrieden sind und diesen sogar abbrechen.
Dabei besteht die Herausforderung nicht nur darin, die richtige Technologie zu wählen, sondern auch, einen einfachen und zufriedenstellenden User Flow zu erstellen.

Ein Gerät ins Internet zu bringen kann auf verschiedenen Wegen geschehen. Die gängigsten sind Bluetooth und Wifi, in vielen Fällen treten beide sogar gleichzeitig auf.
Eine stabile Verbindung zwischen „Ding“ und Internet lässt sich am besten erreichen, indem das Gerät ins Heimnetzwerk des Nutzers gebracht wird – wie z.B. bei Leuchten, die durch Gateways gesteuert werden, Smart Home-Lautsprecher, über die der Lieblingssong gehört wird oder Smart Speaker wie Google Home oder Amazon Echo. Denn in den meisten Fällen wird nicht das Produkt ins Internet gebracht, sondern ein Gateway, das mit der Heizung verbunden ist.
Wichtig zu beachten: Das Gateway sowie die App oder Web-Anwendung, über die die Heizung am Ende gesteuert werden soll, müssen sich im selben Netzwerk befinden, um eine Steuerung via App über das Gateway zu gewährleisten.
Bei vielen dieser Geräte ist der Weg des Onboardings gleich oder ähnlich. Deshalb haben wir bei grandcentrix als IoT Solution Provider einen Blueprint für die verschiedenen IoT Onboardings erstellt. Der Blueprint dient uns dabei als Grundlage für die Konzeptarbeit, damit das Konzept in Form von Wireframes und einem Flowchart oder Clickdummy an unsere Entwickler weitergegeben werden kann.

Das Gateway einrichten
Die Reise des Nutzers startet nicht erst beim Einrichten des Geräts. Vorher muss das Gateway ausgepackt, installiert und an den Strom angeschlossen werden. Der Installateur bringt das Gateway an die Heizung oder in der Nähe der Heizung an und verbindet diese über ein Bus-System, das zum Datenaustausch zwischen den Geräten dient, da das Gateway so in den meisten Fällen Strom über die Heizung bezieht. Andere Gateways sind mit einem Netzstecker ausgestattet und benötigen eine eigene Steckdose.
Während oder nach der mechanischen Installation läd sich der Nutzer die dazugehörige App herunter. Die App dient dabei nicht nur als Bedienungsanleitung für das IoT Onboarding, sondern auch der Steuerung der Heizung und kann in der Regel im jeweiligen Store erworben werden. Um dem Nutzer das Finden der App zu erleichtern, liegt der Verpackung oft ein QR-Code bei, der den Nutzer durch Scannen zum Download führt.
Die App mit dem Gateway verbinden
Nun beginnt der spannende Teil: Um das Gateway mit dem Heimnetzwerk des Nutzers zu verbinden, muss es an das Passwort des WLAN-Heimnetzwerks gelangen. Dieses Passwort wird über eine Bluetooth Low Energy(BLE)-Verbindung an das Gateway gesendet. Denn sobald es an einer Stromquelle angeschlossen ist, öffnet es automatisch einen Pairing-Modus und beginnt mit dem BLE Advertising. Das bedeutet, dass das Gateway nun von der App als noch nicht eingerichtet und zum Pairing bereit erkannt werden kann. In der App erscheinen nun alle sich im Pairing-Modus befindlichen Geräte in der Nähe.
Dabei muss zunächst sichergestellt werden, welches Gateway dem Heimnetzwerk hinzugefügt werden soll. Denn oft passiert es, dass sich mehr als ein Gerät in der Funkreichweite des Netzwerks befindet. Der Nutzer muss nun in der App auswählen, welches Gateway er einrichten möchte – dabei kann er aus einer Liste mit allen gefundenen Geräten auswählen. Jedes Gerät besitzt dabei einen einzigartigen Namen, damit der Nutzer das gewünschte erkennen kann; so kann der Name z. B. einen Teil der Seriennummer enthalten. Diese sollte zudem zum Abgleich gut sichtbar auf dem Gateway oder der Bedienungsanleitung sichtbar sein.
Nach einer erfolgreich aufgebauten BLE-Verbindung zwischen Gateway und App kann das Gerät nun ins Heimnetzwerk gebracht werden.

Das Gateway mit dem Heimnetzwerk verbinden
Die zunächst bestehende Verbindung via Bluetooth Low Energy (BLE) wäre für die komplette Nutzung und Einrichtung des Gateways allerdings ungeeignet – denn BLE ist hauptsächlich nur dafür gedacht, kleine Mengen von Daten zu übertragen und keine ständige Verbindung aufrecht zu halten.
BLE wird für Anwendungen genutzt, die keine großen Datenmengen austauschen müssen
Deshalb muss das Gateway nun mit dem Heimnetzwerk des Nutzers verbunden werden, indem es einen Scan der umliegenden WLAN-Netzwerke durchführt, die dem Nutzer in einer Liste angezeigt werden. Diese Liste sollte sich an der Gestaltung des Betriebssystems vom Smartphone des Nutzers orientieren, damit er die Ansicht möglichst intuitiv bedienen kann.
Dort wählt er sein Heimnetzwerk aus, mit dem er das Gateway verbinden möchte. Im Anschluss muss das Passwort des WLAN-Netzwerks an das Gerät übertragen werden, das vom Nutzer in der App eingeben und bestätigt werden muss. Über die BLE-Verbindung wird das Passwort an das Gerät gesendet, welches sich nun mit dem Heimnetzwerk verbinden kann.
Im Positivfall ist das Gateway nun mit dem Heimnetzwerk des Nutzers verbunden – die BLE-Verbindung kann ohne Interaktion des Nutzers getrennt werden und das IoT Onboarding ist somit abgeschlossen.
Es kann nie ausgeschlossen werden, dass an jeder Stelle Fehlerfälle eintreten können. Hier ist es besonders wichtig dem Nutzer zu erklären, was er zur Fehlerbehebung tun kann. Nicht immer kann das Gateway an die App weitergeben, was genau den Fehler verursacht hat. Error Screens des IoT Onboardings beinhalten deshalb in den meisten Fällen eine Auflistung von häufig auftretenden, generischen Fehlerfällen. Dazu zählen zum Beispiel das Eingeben eines falschen WLAN-Passworts, ein Unterbrechen der Verbindung oder das automatische Ausschalten des Pairing-Modus.
Dem Nutzer sollte kurz und prägnant erklärt werden, was er in diesem Falle tun kann. Falls er ohne weitere Hilfe den Fehler nicht beheben kann, sollte hier die Möglichkeit einer Hilfe-Seite oder eines Supports bestehen.
Alternative: Pairing Button
An der Stelle, an der das Gateway mit der App verbunden wird, gibt es neben dem automatischen Pairing-Modus nach dem Einstecken noch weitere Möglichkeiten. Wenn zum Beispiel aus Sicherheitsgründen ein automatischer Pairing Modus nicht erwünscht ist, kann der Nutzer diesen auch manuell auslösen: Dafür muss der sogenannte „Pairing Button“ gedrückt werden, der sich am Gateway befindet und das Gerät in den Pairing-Modus versetzt. Auch in diesem Fall sendet das Gateway via Bluetooth Low Energy permanent den Hinweis aus, dass es noch nicht eingerichtet und nun bereit zum Verbinden ist.
Der Nutzer bekommt von all den technischen Hintergründen nichts mit und sollte auch nicht mit diesem Vorgang konfrontiert werden. Das Interface führt den Nutzer lediglich zu der Information, für die weitere Einrichtung den Knopf am Gateway zu drücken. Eine visuelle Unterstützung durch das Abbilden des Pairing Buttons als Foto, Animation oder Grafik hilft dem Nutzer zusätzlich, diesen besser zu finden und unterstützt ein positives Onboarding-Erlebnis. Siehe folgende Beispiele:



Beispiele für die Nutzerführung beim Drücken des Pairing Buttons (Links: eigenes Beispiel, Mitte: Sonos Controller, Rechts: IKEA Home smart (TRÅDFRI))
Alternative: WLAN-Hotspot
Eine Alternative zum Pairing-Modus via Bluetooth Low Energy ist das Eröffnen eines WLAN-Hotspots. Nach der mechanischen Installation des Gateways und dem Verbinden mit der Heizung eröffnet das Gateway automatisch einen WLAN-Hotspot. Alternativ kann der Hotspot auch erst durch das Drücken des Pairing Buttons eröffnet werden. Damit die App sich mit diesem Hotspot verbinden kann, muss der Nutzer in die WLAN-Einstellungen seines Smartphones wechseln und dem Hotspot dort manuell beitreten. Sobald die Verbindung hergestellt ist, kann der Nutzer sein WLAN-Heimnetzwerk-Passwort eingeben und dieses wird über den Hotspot an das Gateway gesendet.
Da der Nutzer bei diesem Schritt die App verlassen und in die Smartphone-Einstellungen wechseln muss, ist dieser Weg nicht so nutzerfreundlich wie das Verbinden per Bluetooth Low Energy. Denn durch das Wechseln der Apps wird der Nutzer aus seinem Onboarding Flow herausgerissen und die Experience dadurch beeinträchtigt.
Der WLAN-Hotspot ist nur einer von vielen Wegen, das WLAN-Passwort an das Gerät zu senden und bildet eine Alternative zum BLE-Modus. Argumente für den WLAN-Hotspot und gegen BLE könnten zum Beispiel das Design des Chips auf der Hardware des Gateways sein.
Exkurs: WLAN-Passwort eingeben bei iOS (Apple wireless accessory configuration)
Der Nutzer steht trotz noch so einfachem und schnellem IoT Onboarding vor einer Herausforderung: dem Eingeben des WLAN-Heimnetzwerk-Passworts. Vermutlich jeder kennt es: Das WLAN-Passwort ist nicht nur lang, sondern auch tippfehleranfällig, da es meist aus vielen Zahlen und/oder Buchstaben besteht ist die Eingabe daher oft aufwendig und mühsam. Auch wenn – oder gerade, weil – das Passwort nicht oft benötigt wird, ist das Heraussuchen ebenso aufwendig.
Auf iOS-Geräten gibt es deshalb eine Unterstützung bei diesem Schritt. Die sogenannte Apple wireless accessory configuration (WAC) erleichtert dem Nutzer diesen Schritt, indem das WLAN-Passwort aus dem iPhone ausgelesen wird, sofern es schon einmal mit dem gewünschten Netzwerk verbunden war. Dabei eröffnet das Gateway beim ersten Einrichten automatisch den WAC-Modus. An der Stelle des Onboardings, bei der normalerweise der Nutzer das WLAN-Passwort eingeben muss, öffnet sich nun die Zubehörkonfiguration. Diese sammelt Informationen zu den umliegenden WLAN-Netzwerken und WAC-Geräten.
Der Nutzer muss nun lediglich das Netzwerk auswählen, in welches er das Gateway bringen möchte. Dieses erhält über die WAC das WLAN-Passwort und kann sich mit diesem verbinden. Dafür muss der Nutzer weder das Passwort eingeben noch die App verlassen, denn WAC kann in einem modalen Dialog innerhalb der App geöffnet werden. Um WAC nutzen zu können, muss das Gateway allerdings MFi-zertifiziert sein.

Für Android gibt es leider kein vergleichbares Verfahren, hier muss der Nutzer das WLAN-Passwort manuell eingeben.
Aus Sicht des Nutzers
Der Nutzer soll nicht nur einfach und schnell, sondern auch verständlich durch das Onboarding geführt werden. Da der technische Hintergrund die meisten Nutzer wahrscheinlich überfordern oder nicht interessieren wird, kommt es bei der Konzeption darauf an, eine gute Balance aus Informationen und Anweisungen zu erstellen. Besonders wichtig sind dabei prägnante Headlines, die dem Nutzer auf einen Blick zu erkennen geben, welcher Schritt gerade durchgeführt wird. Meine Erfahrungen als User Experience Designerin für IoT-Produkte sowie das Durchführen mehrerer User Testings zu dem Thema haben mir des Öfteren gezeigt, dass Nutzer Texte oft lediglich überfliegen und sogar einfach komplett überlesen. Lange Texte und komplizierte Erklärungen stellen eher eine Hürde für den Nutzer dar und sollten möglichst kurz und präzise gehalten werden. Das gilt insbesondere auch für die Überschriften der Screens. Kurze, aber aussagekräftige Headlines wie „Geräte gefunden“ oder „Pairing-Knopf drücken“ haben sich dabei als hilfreich und nutzerfreundlich erwiesen. Unterstützende grafische Elemente wie Grafiken, Illustrationen oder Animationen helfen dem Nutzer zusätzlich bei der Einrichtung der Hardware und erleichtern dem Nutzer diese.


Vorteil des Blueprint: Die high-fidelity-wireframes können einfach gebrandet werden.
Eine weitere Erkenntnis aus einem User Testing ist, dass die Nutzer visuelle Bestätigungen bevorzugen, sobald ein signifikanter Teil des Onboardings abgeschlossen ist. Beispielsweise dann, wenn die Verbindung zwischen Gateway und App erfolgreich war – im Fehlerfall ist das natürlich umso wichtiger.
Auch ist es für den Nutzer hilfreich, wenn die verschiedenen States des Onboardings zusätzlich anhand einer LED am Gateway selbst angezeigt werden. Der Aufbau einer Verbindung könnte zum Beispiel durch ein Blinken der LED am Gateway signalisiert werden und eine bestehende Verbindung durch das permanente Aufleuchten dieser. Ein Eingehen auf das Licht sollte ebenfalls im Onboarding aufgenommen werden.

Take Aways
Zum Abschluss möchte ich die wichtigsten Erkenntnisse und hilfreiche Tipps zusammenfassen, um ein gelungenes (IoT-)Onboarding-Konzept zu erzeugen:
- Analysieren und Recherchieren der genauen Zielgruppe des IoT-Geräts und die potenziellen Nutzer kennenlernen
- Das IoT-Onboarding sollte ein nicht zu langer, komplizierter oder technisch beschriebener Prozess sein
- Kurze und prägnante Headlines und Texte
- Unterstützende Grafiken, Illustrationen, Animationen
- Visuelle Bestätigungen zum Beispiel nach einem erfolgreichen Verbindungsaufbau
- Lösungsvorschläge bei Fehlerfällen bereitstellen und die Möglichkeit für weitere Hilfe anbieten (Support, Hotline etc.)
- Ein Demo-Modus, in dem die Benutzung der Applikation mit Hilfe von Beispieldaten simuliert wird, kann dem Nutzer die wichtigsten Features der App auch ohne zugehöriges IoT-Gerät zeigen
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